Warum ist das Internet in Russland so billig und in Deutschland so teuer
und langsam?
Ein Vergleich
Wirtschaft
16:24 26.12.2019(aktualisiert 16:40 26.12.2019) Zum Kurzlink
Von Liudmila Kotlyarova
Einer Studie zufolge sind die Preise für das mobile Surfen in Russland
2019 um 48 Prozent gesunken. Zugleich hat das Land die niedrigsten
Preise für Flatrates im Mobilfunk weltweit. In Deutschland dagegen
beklagen viele NutzerInnen langsame und ziemlich teure Angebote. Warum
ist das so?
Aus einer neuen Studie der Agentur für den mobilen Content, Content
Review, geht hervor, dass die Preise für ein Gigabyte mobiles Internet
in Russland im laufenden Jahr um 48 Prozent auf 37,3 Rubel (umgerechnet
0,54 Euro) gesunken sind. Damit nimmt Russland weltweit den sechsten
Platz ein. Der durchschnittliche Preis von einem Gigabyte betrug
weltweit 187 Rubel (umgerechnet 2,73 Euro).
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Für die Studie sind mobile Tarifangebote von insgesamt 136
Telekommunikationsanbietern in 50 Ländern mit dem größten BIP analysiert
worden. Die Gesamtkosten sind zum Wechselkurs der russischen Zentralbank
am 23. Dezember in Rubel umgerechnet worden. Niedriger als in Russland
sind die Preise lediglich im Iran mit 3,8 Rubel pro Gigabyte, gefolgt
von Israel (22,7 Rubel), Kasachstan (27,8 Rubel), Ägypten (33,6 Rubel)
und Indonesien (36,8 Rubel). Traditionell werden die niedrigsten Preise
für ein Gigabyte in Ländern beobachtet, in denen die Bevölkerung sich
prinzipiell keine teuren Dienstleistungen leisten kann (wie etwa im Iran
oder in Ägypten und Indonesien), und in Ländern, in denen die Betreiber
einen hohen durchschnittlicher Erlös pro Kunden (ARPU) durch die
Aufzwingung von Flatrates sichern wollen, erzählte der Autor der Studie,
Sergej Polownikow, am Donnerstag im Gespräch mit Sputnik.
Der durchschnittliche Preis für ein unbegrenztes Tarifangebot belaufe
sich dabei in Russland lediglich auf 602,5 Rubel (umgerechnet 8,79 Euro)
und ist am niedrigsten weltweit. In den anderen Ländern sind es
durchschnittlich 3181 Rubel oder 46,42 Euro. In Deutschland werden die
Flatrates der Studie zufolge für etwa 5000 Rubel oder für 72,96 Euro
angeboten. Um die 80 Euro rufen die großen Anbieter Telekom und Vodafone
für ihre Top-Tarife auf.
„Internet läuft“ in Russland
Polownikow stellt fest, dass
die Preise für mobiles Internet auch durch die Präsenz eines Players auf
dem Markt beeinflusst würden, der den etablierten Status Quo der
Unternehmensrentabilität nicht unterstütze und einen Preiskampf auslöse.
Auch das Angebot von unbegrenzten Tarifen auf dem Markt, die Volatilität
der Landeswährung (denn die Betreiber kaufen Technik am meisten im
Ausland) sowie die Größe des Landes (davon hängen die Investitionen in
die Entwicklung und Modernisierung des Netzes ab) und das Funktionieren
von 5G, mit dem die Preise auch niedriger werden, würden die Preise
prägen.
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und Menschenrecht
In einem in Russland einst umhypten Artikel schrieb der deutsche
Journalist Dominik Kalus im September für das Portal „Ostexperte“ von
Dingen, die in Russland anders als in Deutschland sein sollen. „Internet
läuft“, resümierte Kalus und verwies darauf, dass die Russen fast immer
eine stabile Verbindung hätten.
Während man schon eine halbe Stunde außerhalb Münchens teilweise keinen
internetfähigen Empfang mehr hat, reichte mir die Verbindung selbst in
einem kaukasischen Bergdorf für einen flüssigen Internetanruf“, so der
Journalist. Im Moskauer Zentrum sei Gratis-Wifi allgegenwärtig, selbst
in der Metro und in Parks.
Wer Russland noch mit technischer Rückständigkeit verbinde, sollte
dringend eine Reise hierher tun. Warum ist es aber in Deutschland so
anders?
„Ich hasse deutsches Internet“,
sagt ein Sputnik-Kollege mit einer deutschen und einer russischen
Staatsbürgerschaft.
„Wenn man in Deutschland noch sein Zuhause mit Internet versorgen will,
muss man eine oder sogar zwei Wochen auf die gute Verbindung warten. In
Russland habe ich das in einer Stunde geschafft.“
Dem Internet-Ombudsmann Dmitri Marinitschew zufolge haben die
niedrigeren Mobilinternet-Preise in Russland auch damit zu tun, dass die
Konkurrenz zwischen den Internet-Anbietern und
Telekommunikationsbetreibern von Anfang an groß gewesen sei. Dazu kommt
noch, dass es kein Monopol eines bestimmten Betreibers für die
Vernetzung eines bestimmten Haushaltes oder eines Bezirkes gebe. Man
könne sich anders als in vielen europäischen Ländern einfach jeden
beliebigen Anbieter für das Zuhause-Internet auswählen. Außerdem gibt es
laut Marinitschew gute staatliche Programme zum Anschluss der Haushalte
an das Internet, was die Betreiberunternehmen auch in Kleinstädte und
Dörfer anzieht. Die Fernverbindung und die sogenannte „letzte Meile“
oder die Amtsleitung in fernen Orten werden also vom Staat garantiert.
Geht es um das mobile Internet in Deutschland, dann hat es plötzlich
eine schlechtere LTE-Abdeckung als Schweden, Großbritannien, Österreich
oder sogar Polen. Einer Auswertung der Mobilfunkanalysefirma Opensignal
zufolge haben die Nutzer in vielen Teilen Deutschlands oft gar keinen
LTE-Empfang. Im Durchschnitt beträgt die LTE-Abdeckung in der Fläche
knapp 66 Prozent. Manche ländliche und grenznahe Regionen liegen
deutlich darunter.
Störung bei mobilem Internet: Nordosten Deutschlands lahmgelegt
Neben dem teuren Netzausbau werden in Deutschland die
Mobilfunkfrequenzen bei einem Auktionsverfahren vom Staat vergeben. Die
Kosten für die Netzbetreiber würden dadurch künstlich in die Höhe
getrieben, bemängeln die Kritiker. So führen viele Experten auch heute
noch die Erlöse aus der UMTS-Versteigerung (Mobilfunkstandard der
dritten Generation 3G - Anm. d. Red.) 2000 als Hauptgrund für die hohen
Mobilfunkpreise in Deutschland an. Damals zahlten die Netzbetreiber
insgesamt 50,8 Milliarden Euro für die UMTS-Lizenzen – viel mehr als in
anderen Ländern.
Mit Abschaffung der Roaming-Gebühren im EU-Ausland Ende 2018 war für die
Provider noch eine wichtige Einnahmequelle weggebrochen. Offenbar
versuchen die Unternehmen nun, den Schaden zu begrenzen, und schaffen
Ausnahmen für die Auslandsnutzung wie bei den sogenannten
Zero-Rating-Tarifen oder den rein nationalen Tarifen. Ein Blick in den
durchschnittlichen Verbrauch der Internetdaten bei den Deutschen - 2,5
Gigabyte - zeigt eben, dass auf dem deutschen Mobilfunkmarkt nicht viel
Geld zu holen ist. Nur sehr wenige Deutsche gönnen sich laut dem
Vergleichsportal Verivox aus Sparsamkeit die kostspieligen
Daten-Flatrates.
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