Von wegen Zukunftsoffensive : Deutschland ist Glasfaser-Entwicklungsland
Von wegen Zukunftsoffensive : Deutschland ist
Glasfaser-Entwicklungsland
In Deutschland geht der Ausbau des Glasfasernetzes nur schleppend voran.
Mittwoch, 10. Mai 2017
Von wegen Zukunftsoffensive
Deutschland ist Glasfaser-Entwicklungsland
Egal, was die Regierung in Sachen Digitalisierung herausposaunt, sieht
die Realität in Deutschland einfach nur trist aus. Beim enorm wichtigen
Glasfaserausbau gibt es kaum ein europäisches Land, das schlechter
dasteht als die Bundesrepublik.
Die Netzallianz Digitales Deutschland
ist eine vom Bundesinfrastruktur-Ministerium ins Leben gerufene
Initiative aus Telekommunikationswirtschaft und Politik. Ihr Ziel ist,
Deutschland bis Ende 2025 zur "Gigabit-Gesellschaft" zu machen. Laut der
Broschüre "Zukunftsoffensive Gigabit-Deutschland" stellt sie "eine
fortgeschrittene Informationsgesellschaft dar, die vollständig von
Informations- und Kommunikationstechnik durchdrungen ist. Menschen,
Maschinen, Dinge und Prozesse werden nahtlos miteinander vernetzt werden
können". Zwingende Voraussetzung für
die "Industrie 4.0", autonomes Fahren, mobiles 4K-Streaming und andere
Anwendungen der leuchtenden Gigabit-Zukunft ist aber ein
flächendeckendes Glasfasernetz. Ohne
es gibt es keine kabelgestützten Gigabit-Anwendungen und auch kein
5G-Netz für den mobilen Einsatz.
Die vom Dobrindt-Ministerium geschmiedete "Netzallianz" sieht einen
Ausbau in vier Etappen vor. Erstes Ziel ist, bis Ende 2018 eine
flächendeckende Internet-Versorgung mit Geschwindigkeiten von mindestens
50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) zu verwirklichen.
Ende des folgenden
Jahres sollen bestehende und neue Gewerbegebiete ausschließlich mit
Glasfaseranschlüssen versorgt sein. Ende 2020 sollen die Voraussetzungen
für den 5G-Start geschaffen sein, Ende 2025 soll die "gigabitfähige
konvergente Infrastruktur in Deutschland" stehen.
Deutschland auf der Kriechspur
Das liest sich so, als habe Deutschland in Sachen Glasfaserausbau eine
Vorreiterrolle inne. Doch die Realität sieht ganz anders aus. Laut einer
gemeinsamen Studie der Bertelsmann Stiftung und des Fraunhofer Instituts
für System- und Innovationsforschung (ISI) investieren aber fast alle
OECD-Staaten mehr in den Ausbau ihrer Glasfasernetze als die
Bundesrepublik. Sie bauten Datenautobahnen, während Deutschland immer
noch auf der Kriechspur fahre, so das vernichtende Urteil der Studie.
"Unambitionierte
Ziele, eine fehlende gesamtstaatliche Strategie, unkoordinierte
Förderprogramme und fehlender Mut, konsequent auf Glasfasertechnologien
zu setzen", seien die Hauptursachen für das Hinterherhinken
Deutschlands. "Der aktuelle Stand der Glasfaser-Versorgung ist nicht
gut, aber das eigentliche Drama ist, dass der Aufholprozess durch
politische Weichenstellungen unzureichend unterstützt wird", sagt
Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Das Resultat sind ernüchternde Zahlen, die das Ziel, eine
"Gigabit-Gesellschaft" in nicht mal neun Jahren errichten zu wollen, als
utopisch erscheinen lassen. In Estland profitieren bereits 73 Prozent,
in Schweden 56, in Spanien 53 und in der Schweiz immerhin 27 Prozent der
Haushalte von direkt verfügbaren Glasfaserverbindungen. In Deutschland
hingegen gilt das für lediglich 6,6 Prozent der Haushalte. Im ländlichen
Bereich beträgt die Abdeckung mit Glasfaser-Leitungen gerade einmal 1,4
Prozent.
Vectoring bremst
Im internationalen Vergleich sehen die von Dobrindts "Netzallianz"
gesteckten Ziele auch nicht besonders mutig aus. Denn laut Studie sind
insbesondere "unambitionierte nationale Ziele" die Ursache für
Deutschlands Hinterherhinken. Die Europäische Union will bis 2020 jeden
zweiten Verbraucher mit 100 Mbit/s schnellen Leitungen versorgen,
Deutschland hingegen nur mit 50 Mbit/s. Die Verfasser zweifeln auch an,
dass dieses niedriger gesetzte Ziel den Glasfaserausbau fördert, da
diese Geschwindigkeiten auch mit Kupferkabeln und dem sogenannten VDSL-Vectoring
erreicht werden könnten. Im Ergebnis führe die Genehmigung der Vectoring-Strategie
zu einem deutschen Sonderweg und verhindere einen konsequenten
Glasfaser-Ausbau, sagt Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann
Stiftung.
Als Beispiele, wie man es besser macht, nennt die Studie Estland und
Schweden 2016 Qu. 4 22,8 Mbps, wo sich kommunale Versorger um die Glasfaseranschlüsse der
Bürger kümmerten. Dort habe man den Gedanken der Daseinsvorsorge,
ähnlich wie bei Energie und Wasser, auf den Breitbandanschluss
übertragen. Gelobt werden auch die runden Tische in der Schweiz, an
denen unter staatlicher Moderation der Ausbau koordiniert wird.
Die Verfasser der Studie fordern auch in Deutschland ambitioniertere
Ziele, eine bessere Koordination und eine engere Einbindung von Ländern
und Kommunen und einen Ausbau von Netzen durch städtische
Versorgungsbetriebe. "Allein schon die lokale Wirtschaftsförderung
müsste daran ein herausragendes Interesse haben: Denn schnelles Internet
ist für Firmen und Bürger ein entscheidender Standortfaktor", sagt Bernd
Beckert, Koordinator der Studie beim Fraunhofer ISI.
Quelle: n-tv.de , kwe
http://www.n-tv.de/technik/Deutschland-ist-Glasfaser-Entwicklungsland-article19832012htmll
Die Wahrheit: Deutschland nimmt in der EU - Rangliste nur den 15. Platz ein
Im vierten Quartal 2016 betrug die Übertragungsgeschwindigkeit in Deutschland 14,6 Mbps.
Innovationsfeindlich
Im vierten Quartal 2016 betrug die Übertragungsgeschwindigkeit in Schweden 22,8 Mbps.