Die BND-Liste: Justiz startet neue Ermittlungen zu Spionagevorwürfen
Fabian Schmid, Markus Sulzbacher
17. Juni 2018, 16:35
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Spionage in Österreich
Nach Berichten von STANDARD und Profil, wonach der deutsche
Bundesnachrichtendienst (BND) über Jahre rund 2.000 Ziele in Österreich
ausgespäht hat, leitet die Staatsanwaltschaft Wien neue Ermittlungen
ein. Dies erfuhr der STANDARD aus Justizkreisen. Konkret soll ein
weiteres Rechtshilfeersuchen an die deutschen Behörden gestellt werden.
Zuvor hatte die Regierung am Samstag nach einer kurzfristig anberaumten
Sitzung "volle Aufklärung" von Deutschland gefordert.
"Ein Ausspionieren unter befreundeten Staaten ist nicht nur unüblich und
unerwünscht, es ist auch nicht akzeptabel", sagte Bundespräsident
Alexander Van der Bellen bei einem Presseauftritt mit Kanzler Sebastian
Kurz (ÖVP). Auch die Opposition fordert eine lückenlose Aufklärung. In
Deutschland trat bereits der Bundestag auf den Plan. Das
Parlamentarische Kontrollgremium der Geheimdienste will die Vorwürfe
prüfen.
Alle Artikel zur BND-Liste
Wie geht die Causa nun weiter? Der STANDARD beantwortet die wichtigsten
Fragen rund um die Aktivitäten des BND in Österreich.
Frage: Der BND spioniert also in Österreich. Ist das überraschend?
Antwort: Nein. Dass sich auch befreundete Nachbarstaaten gegenseitig
ausspähen, ist seit Jahrzehnten bekannt. Die Recherchen von STANDARD und
Profil enthüllten aber, dass das in einem weitaus größeren Ausmaß als
bisher bekannt passiert. So finden sich auf der Liste des BND nicht nur
große Konzerne mit globaler Bedeutung oder internationale
Organisationen, deren Ausspähung logisch erscheint. Vielmehr nahm der
deutsche Nachrichtendienst auch klein- und mittelständische Unternehmen
aus einer großen Reihe von Branchen sowie Privatpersonen, etwa
Universitätsprofessoren, ins Visier.
Der Spiegel berichtete bereits 2015 von Spähzielen des BND in anderen
EU-Mitgliedsländern, er dürfte Zugriff auf dieselbe oder eine ähnliche
Liste gehabt haben. Das Nachrichtenmagazin erwähnte jedoch nur wenige
Beispiele in Österreich, enthüllte aber die Ausspähung von
EU-Institutionen oder dem französischen Konzern Eurocopter.
Frage: Sind diese Spionageaktivitäten schon lange vorbei?
Antwort: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Bundespräsident
Alexander Van der Bellen haben darauf hingewiesen, dass die Liste der
enthüllten Spähziele lediglich die Jahre 1999 bis 2006 umfasst. Das ist
allerdings nur der Startzeitpunkt der Überwachung. Es gibt keine
Hinweise darauf, dass die Ausspähung 2006 beendet wurde. So heißt es in
einem Bericht des deutschen Bundestages, dass der BND selbst erst im
Frühjahr 2013 überlegte, wie man mit Spähzielen "mit EU/Nato-Bezug"
umgehen soll.
Frage: Umfasst die Liste nur Ziele, die nach 2013 deaktiviert wurden?
Ist sie vollständig?
Antwort: Nein. Es handelt sich nicht um jene Liste aussortierter Ziele,
die deutschen Parlamentariern vorgelegt wurde. Genausowenig handelt es
sich um die "vollständige" Liste aller Spähziele in Österreich. Der BND
hatte bis 2013 – gelinde gesagt – ein leicht chaotisches System, was
seine Selektoren, also Suchbegriffe wie Telefonnummern oder
E-Mail-Adressen, betrifft.