Die Liste: Wen der deutsche Geheimdienst
in Österreich ausspähte
Heeresnachrichtenamt arbeitet mit dem BND
zusammen
Damals kam auch die Frage auf, inwiefern
Dienste befreundeter Länder, wie der BND oder das österreichische
Heeresnachrichtenamt, mit der NSA kooperieren – und inwiefern sich diese
gegenseitig ausspionieren. "Ausspähen unter Freunden, das geht gar
nicht", hatte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Herbst
2013 über Berichte beschwert, denen zufolge die US-Amerikaner ihr
Telefon abgehört hatten. Gleich danach allerdings informierte sie der
damalige BND-Chef Gerhard Schindler, dass Deutschland selbst seine
"Freunde" ausspionierte.
Der "Spiegel" berichtete daraufhin von Zielen
in ganz Europa, die der BND selbst oder im Auftrag der NSA überwachte:
beispielsweise Unternehmen wie den Eurofighter-Hersteller EADS und
Eurocopter in Frankreich oder Mitarbeiter von EU-Behörden. Auch das
Innenministerium in Wien werde ausspioniert, schrieb der "Spiegel"
damals. STANDARD und "Profil" liegt nun dieselbe Liste vor, über die der
"Spiegel" damals berichtete. Ihre Authentizität wurde von mit der
Materie vertrauten Personen bestätigt. Sie zeigt Ziele in Österreich,
die zwischen 1999 und 2006 ausgewählt worden sind. Zu einer Bereinigung
der Selektorenlisten kam es laut Aussagen von BND-Mitarbeitern erst
2013, als das deutsche Kanzleramt über die Spionage in befreundeten EU-
und Nato-Mitgliedstaaten informiert wurde.
Auch das Verteidigungsminister stand auf der
Ausspäh-Liste des deutschen BND.
Dass der BND Ziele in Österreich bespitzelt,
ist schon seit 2015 bekannt. Im Zuge der Snowden-Affäre wurde
öffentlich, dass der deutsche Geheimdienst die iranische Botschaft und
das Innenministerium überwacht. Der damalige Bundeskanzler Werner
Faymann (SPÖ) nahm es locker. Er sagte dazu knapp: "Ich persönlich habe
mir vorgenommen, so zu leben, dass ich auch vor niemandem Angst haben
brauche, der mich abhört." Tatsächlich wurde auch das Bundeskanzleramt
vom deutschen Geheimdienst abgehört, wie die Zielliste des BND zeigt.
Als die damals amtierende Innenministerin Johann Mikl-Leitner (ÖVP) aus
den Medien erfuhr, dass ihr Ministerium Ziel eines Spionageangriffs sei,
erstattete sie Anzeige und forderte eine vollständige Aufklärung. Daraus
ist allerdings bis heute nichts geworden. Die Staatsanwaltschaft Wien
habe ihre Ermittlungen derzeit abgebrochen, aber nicht eingestellt,
sagte Mediensprecherin Nina Bussek. Die aktuellen Enthüllungen könnten
dazu führen, dass sie nun rasch wieder aufgenommen werden können.
Spionage erlaubt
Aus deutscher Sicht ist Spionage im Ausland
erlaubt, solange Deutsche nicht ins Visier geraten. Die "Notwendigkeit
einer Dienstvorschrift" wurde im BND für elektronische Spionage nicht
gesehen, heißt es in einem Bericht des Parlamentarischen
Kontrollgremiums des Bundestags, das ab 2013 aussortierte Spähziele im
EU-Ausland und bei Nato-Partnern einsehen konnte. Die Abteilung
Technische Aufklärung und ihre Mitarbeiter hatten "weitgehende
Entscheidungsräume" bei der Auswahl der Selektoren. Das Kontrollgremium
geht davon aus, dass nur ein Drittel dieser Ziele definitiv "rechts- und
auftragskonform" war.
foto: apa
Die von NSA und BND gemeinsam genutzte
Lauschstation im bayrischen Bad Aibling.
Mittlerweile werden neue Spähziele in
Staaten, mit denen Deutschland befreundet ist, von drei Juristen
überprüft. Wie die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag berichtete, beklagen
diese Kontrolleure aber nach wie vor Schwärzungen und die Verweigerung
von Auskünften.
Im BND-Gesetz steht, dass der Geheimdienst
Telekommunikation von Ausländern im Ausland abhören darf. Allerdings
wird Wirtschaftsspionage ausdrücklich verboten. Eine
"Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung zum Zwecke der Erzielung von
Wettbewerbsvorteilen" sei unzulässig, heißt es in Paragraf 5 des
BND-Gesetzes. Außerdem stellt sich die Frage, ob österreichische
Ministerien über Teile der deutschen Spionage informiert waren. So
wurden vom BND zahlreiche Personen aus der islamistischen Szene ins
Visier genommen. Informationen aus der nach österreichischer Sicht nicht
genehmigten Ausspähung könnten an den heimischen Verfassungsschutz
weitergeleitet worden sein. Das Innenministerium will diesbezüglich
allerdings "aufgrund rechtlicher Übereinkommen keine Auskunft erteilen".
NSA-Whistleblower Snowden hat über ein System informiert, bei dem
befreundete Geheimdienste füreinander spionieren, also die NSA britische
Bürger ausspäht und diese Daten dann übermittelt, weil das der britische
Geheimdienst selbst nicht darf.
Mangelnder Aufklärungswille
In den vergangenen Jahren wollten
österreichische Politiker mehrfach die Aktivitäten ausländischer
Geheimdienste in Österreich aufklären. Schon 1998 fragte der damalige
Grünen-Chef und heutige Bundespräsident Alexander Van der Bellen beim
Innenministerium an, ob Geheimdienste "österreichische Telekommunikation
überwachen". Die Antwort des damaligen Innenministers Karl Schlögl
(SPÖ): "Ist mir nicht bekannt." In den vergangenen Jahren verlangte auch
die FPÖ Aufklärung. 2017 begehrten freiheitliche Abgeordnete beim
Verteidigungsministerium Auskunft über die Aktivitäten des BND.
Antworten gab es keine: Es handle sich um ein "Amtsgeheimnis zum Schutz
der Republik".