Testbetrieb im Weltraum läuft bereits
So arbeitet das interplanetare Internet
Von Roland Peters
Das Internet ist das zentrale Kommunikationsmedium auf der Erde. Doch was
passiert, wenn der Mensch den Weltraum erkundet und besiedelt? Vint Cerf ist
einer der Väter des globalen Netzes - und beschreibt nun, wie das
interplanetarische Internet funktioniert. Der Testbetrieb läuft bereits.
"Würde es zwischen Planeten funktionieren?" Das war die Ausgangsfrage, die
sich Vint Cerf über das terrestrische Internet im Jahr 1997 stellte. Nach
Beratungen mit anderen Experten ist sich der Erfinder des TCP-Protokolls
sicher: Nein, würde es nicht. Dann beginnt einer der "Väter des Internet",
an seinem nächsten Baby zu arbeiten. Dem interplanetarischen Netzwerk .
Als Vint Cerf und Bob Kahn im Jahr 1973 das "Transmission Control Protocol"
(TCP), die technische Grundlagen des globalen Datenverkehrs entwarfen,
ahnte kaum jemand, welche Bedeutung es für die Kommunikation der Menschen
haben würde. Doch Cerf denkt in den 90er Jahren bereits an die Kommunikation
in weiteren 25 Jahren. Seither arbeitet der Wissenschaftler an einer
Weiterentwicklung des TCP. Inzwischen sind große Teile fertig und ein
interplanetarisches "Delay/Disruption Tolerant Network " (DTN) ist im
Testbetrieb.
In einem ausführlichen Interview mit dem US-Technikmagazin "Wired" erklärt
Cerf nun, wie das Internet im interplanetarischen Gebrauch funktioniert.
Wenn wirklich Menschen auf dem Mars landen sollten, werden sie es dem
69-Jährigen danken. Denn je größer die Entfernung, desto schwieriger und
fehleranfälliger ist die direkte Kommunikation von Sender zu Empfänger.
Informationen verlieren sich
Vint Cerf entwickelte das TCP-Protokoll mit.(Foto: CC BY 2.0 / Joi lto)
Als Grundproblem machten Cerf und die US-Raumfahrbehörde Nasa die
Verzögerung und die Unterbrechung von Datenverbindungen aus. Physische
Leitungen sind nicht überall möglich, das gilt auf der Erde wie im
Weltraum. Die Daten , in einzelne Pakete zerhackt, brauchen bis zu 20
Minuten von der Erde bis zum Mars. Zudem macht die Rotation der Planeten
Probleme.
Im terrestrischen Internet gehen mitunter Datenpakete verloren, was aber
nicht schlimm ist, da sie der Versender einfach noch einmal auf die Reise
schicken kann. Bei interplanetarischer Kommunikation ist das gravierend,
denn die Verzögerungen und Unterbrechungen sind einfach zu groß. Die
Information verliert sich in den Weiten des Weltraums.
Knotenpunkte entscheidend
Cerf und seine Nasa-Kollegen setzen bei den Knotenpunkten an, also den
Zwischenstationen, von denen die Pakete weitergeleitet werden. Diese
speichern als Teil eines DTN im Gegensatz zum terrestrischen Netz die
Informationen länger und versuchen entsprechend, die Daten zuzustellen:
"Store-and-Forward" heißt dieses Prinzip. Es ist ein wenig wie beim
Baseball: Ergibt sich die Chance, bewegt sich das Datenpaket zur nächsten
Base, bis es im Ziel angekommen ist.
Das Protokoll wird bereits von einigen Geräten genutzt, berichtet Cerf: Auf
der Erde etwa dasDeep Space Network der Nasa mit mehreren riesigen Antennen.
Auch die internationale Raumstation ISS verwendet es, ebenso zwei Sonden in
der Umlaufbahn des Mars' und der Rover Curiosity auf der Oberfläche. Um die
Sonne kreist zudem Epoxi, der so bereits Daten über die Entfernung von 32
Millionen Kilometern sendete. In einem Experiment steuerte die Astronautin
Sunita Williams von der ISS aus einen Roboter durch einen Hinderniskurs in
Darmstadt. Jede Maschine ist dabei ein potenzieller Knotenpunkt. Das kann
theoretisch auch ein Rechner mit Solarzellenbetrieb sein, der einfach
abgeworfen wird; ohne dass ein Mensch den Himmelskörper betreten muss.
Unabhängig von Sender und Empfänger
5Auch für die Weiterentwicklung des terrestrischen Internet ist das neue
Protokoll nützlich. "In Tests konnten wir drei- bis fünfmal so viele Daten
in einer militärischen Kampfsituation mit vielen Störfaktoren übertragen als
mit TCP", sagt Cerf. Einer der Schlüssel sei die Speicherung der Datenpakete
innerhalb des Netzwerkes, unabhängig von Sender und Empfänger. Diese
Knotenpunkte sind auf der Erde Jeeps oder Panzer, im Weltraum Raumschiffe
oder Sonden.
"Ich erwarte, dass diese Protokolle in Zukunft sowohl für bemannte, als auch
Roboter-gestützte Weltraum-Erkundung genutzt werden. Wir hoffen, dass
Raumschiffe nach ihrem primären Einsatz in ein Relais für dieses
'Store-and-forward'-Netzwerk umfunktioniert werden." Cerfs Vision: Die
Erkundung und eventuelle Besiedlung des Weltraums geht einher mit dem Aufbau
eines interplanetarischen Internets.
Quelle: n-tv.de