Politik
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Donnerstag, 11. Juni 2015
Parlament voller Elektroschrott?
Cyber-Angriff womöglich aus Russland
Von Christoph Herwartz
Der Bundestag ist sich nicht sicher, wie schwer die Schäden an seinem Netzwerk
sind. Vielleicht braucht er nur 15 neue Computer. Vielleicht aber auch 20.000.
Es klingt beunruhigend: Seit mehreren Wochen weiß der Bundestag, dass sich ein
Trojaner auf seinen Rechnern befindet, doch er kann ihn nicht stoppen. Noch
immer fließen Daten ab, möglicherweise an den russischen Geheimdienst SWR.
Trojaner sind Programme, die auf fremden Computern installiert werden und von
dort aus Daten an ihren Urheber senden. Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert einen
geheimen Bericht, nachdem die beste Lösung diese wäre: Das Netzwerk soll nicht
gesäubert, sondern ganz verschrottet und neu aufgebaut werden. Dieser Vorschlag
werde zumindest in einem geheimen Papier gemacht.
CDU-Politiker finden diese Forderung absurd: "Es geht im Wesentlichen um
Software", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Bernhard
Kaster. Zwar müssten Computersysteme und Server in Teilen neu aufgesetzt werden.
"Das darf aber nicht verwechselt werden mit einem kompletten Austausch der
Hardware." Sein Fraktionskollege Thomas Jarzombek sagte "Zeit Online": "Eine
übersichtliche Zahl von Servern muss neu installiert werden, die Hardware ist
nicht betroffen." Es gehe um nur 15 betroffene Rechner. Laut "Süddeutscher
Zeitung" ist allerdings auch der "Verzeichnisdienst" des Bundestags betroffen,
der ein Knotenpunkt für die rund 20.000 Computer von Abgeordneten, deren
Mitarbeitern und Verwaltungsangestellten sei.
Die unterschiedliche Bewertung der Situation kommt auch daher, dass noch unklar
ist, wie groß der Schaden genau ist. Mehrere Gigabyte an Daten sollen abgesaugt
worden sein. Das ist keine große Menge. Der Wert der Daten könnte dennoch groß
sein. Passwörter beispielsweise verbrauchen praktisch keinen Speicherplatz, sind
aber extrem wertvoll. Außerdem könnte es sein, dass auch heute noch Daten
abfließen und niemand dies nachverfolgen kann. So berichtet es die "Süddeutsche
Zeitung". Laut "Spiegel Online" ist sogar bekannt, dass noch immer Daten
abfließen. CDU-Mann Jarzombek bezeichnete dies als "Unsinn".
Doch nicht nur über die Schwere des Schadens wird gestritten, auch über die Form
der Ermittlungen sind sich die Fraktionen nicht einig. Die Koalition würde gerne
den Verfassungsschutz einsetzen, damit dieser den Angreifer ausfindig machen
kann. Die Opposition ist dagegen, weil der Verfassungsschutz den Bundestag
grundsätzlich nicht überwachen darf. Damit soll verhindert werden, dass ein
Geheimdienst die Institution kontrolliert, die eigentlich den Geheimdienst
kontrollieren soll. Die Grünen meinen, der Verfassungsschutz könne beratend
tätig werden.
Wer der Angreifer ist, kann bislang nur vermutet werden. Von osteuropäischen
Geheimdiensten ist die Rede, namentlich vom russischen. Allerdings ist es auch
möglich, dass Hacker falsche Fährten legen, also etwa Anmerkungen in einer
bestimmten Sprache in den Quellcode schreiben. Welche Indizien die Behörden für
den Verdacht haben, dass es sich um russischen Geheimdienst handle, legten sie
nicht offen. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagte in diesem
Zusammenhang: "Mein Dienst hat immer wiederholt bestätigt, dass jedenfalls die
Cyberangriffe von russischen Diensten hochqualifiziert sind und uns große Sorge
bereiten." Auch wie sensibel die Daten sind, die genau ausgelesen wurden, ist
bislang nicht bekannt.
Quelle: n-tv.de
http://www.n-tv.de/politik/Cyber-Angriff-womoeglich-aus-Russland-article15284186htmll