NETZPOLITIK
Neue EU-Sicherheitsstrategie könnte zu Verbot
von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung führen
Serviceanbieter sollen verpflichtet werden,
aktiv nach Bildern von Kindesmissbrauch zu suchen. Das ist bei dieser
Form der Verschlüsselung aber nicht möglich
27. Juli 2020, 17:52
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bei der
Präsentation der neuen Sicherheitsstrategie.
Eine Frage ist beinahe so alt wie das
Internet: Wer soll auf all die Daten, die so durch das weltweite
Netzwerk fließen, Zugriff haben? Damit einher geht ein anderes Thema:
Verschlüsselung. Denn nur mit einer solchen kann überhaupt garantiert
werden, dass Dritte nicht mitlesen können. Entsprechend schwelt
mittlerweile seit Jahrzehnten ein Konflikt zwischen jenen, die auf eine
strikte Privatsphäre pochen, und jenen, die gerne im Fall des Falles auf
alle Daten Zugriff haben wollen. Nun geht die Debatte in die nächste
Runde.
Es cybert
Vor wenigen Tagen hat die EU-Kommission eine
neue Sicherheitsstrategie präsentiert, und wie es sich heutzutage so
gehört, kommt darin der Begriff "Cybersicherheit" ziemlich oft vor.
Dieser wird eine strategische Priorität zugewiesen. Was man dabei im
Detail vorhat, könnte aber reichlich problematische Auswirkungen haben,
wie Erich Moechel von FM4 aufgefallen ist.
So kündigte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson
an, dass künftig alle Serviceanbieter verpflichtet werden sollen, ihre
Plattformen aktiv nach Bildern von Kindesmissbrauch zu durchsuchen. Ein
Ansinnen, dem zunächst wohl nur wenige widersprechen werden, das aber
eine problematisch Konsequenz hat: Bei einer echten
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, wie sie etwa Signal, aber auch Whatsapp
verwenden, ist das gar nicht möglich. Immerhin hat hier auch der
Betreiber selbst keinerlei Einblick in die Diskussionen. Kommt die
Regelung so wie geplant, würde sie also zahlreiche Programme
illegalisieren, diese dürften dann in der derzeitigen Form nicht mehr
angeboten werden.
Ausblick
Als Zeitrahmen spricht Johansson vom zweiten
Halbjahr 2021, dann soll ein entsprechender Kommissionsentwurf der
zugehörigen Verordnung fertig sein. Die Innenkommissarin macht dabei
auch klar, wie sie sich die Zukunft entsprechender Apps vorstellt –
nämlich eher wie den Facebook Messenger. Diesen lobt sie nämlich
explizit, da der Hersteller scharf gegen Kindesmissbrauch vorgehe – 80
Prozent aller gemeldeten Fälle sollen von dem Unternehmen stammen. Im
Gegensatz zum ebenfalls von Facebook angebotenen Whatsapp nutze der
Facebook Messenger aber eben von Haus aus keine
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, der Anbieter könne also mitlesen.
Selbst sprechen die Initiatoren natürlich
nicht davon, dass Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verboten werden soll.
Viel mehr ist vage davon die Rede, dass Methoden gefunden werden sollen,
um solche Inhalte auch in auf solche Art verschlüsselten Programmen zu
entdecken. In der Praxis läuft das aber auf das Gleiche hinaus. Mitlesen
geht bei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nämlich einfach nicht.
Viele Probleme
Wie die Durchsetzung einer solchen Regel in
der Praxis aussehen soll, ist natürlich eine ganz andere Frage.
Sicherheitsexperten betonen immer wieder, dass all solche Verbote
kontraproduktiv seien. Wirkliche Kriminelle würden sich generell wenig
um diese Vorschriften kümmern und könnten immer Wege finden, an stark
verschlüsselnde Programme ohne Hintertüren zu kommen. Dem steht
entgegen, dass der effektive Schutz der Gespräche einer breiten Masse an
Internetnutzern effektiv geschwächt wird. (apo, 27.07.2020)
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Weiterlesen:
https://www.derstandard.at/story/2000119000314/neue-eu-sicherheitsstrategie-koennte-zu-verbot-von-ende-zu-ende