FTD – Online Ausgabe 15.01.2012
Angriff auf Computer Japans Weltraumtransporter ausspioniert
Der Frachter gilt als Vorzeigeprojekt: Mit einem Computervirus könnten
sensible technische Daten abgesaugt worden sein. Mit dem Versorger
beliefert Japan die ISS. von Gerhard Hegmann München
Japans Weltraumagentur schlägt Alarm. Über einen Computervirus könnten
Daten vom unbemannten Transporter HTV geklaut worden sein. Am 6. Januar
wurde nach Angaben der japanischen Weltraumagentur Jaxa ein Virus im
Computer eines Mitarbeiters entdeckt, der für das HTV-Projekt tätig ist.
Daher sei es möglich, dass technische Daten sowie
System-Eintrittskennungen und E-Mail-Adressen abgesaugt wurden. Indirekt
warnen die Japaner davor, dass sich das Virus auch auf andere Rechner
verbreitet haben könnte. Hinweise auf die möglichen Urheber gibt es
nicht. Jaxa ist praktisch das Gegenstück zur Nasa in den USA.
Das HTV (H-2 Transfer Vehicle) ist ein unbemanntes Versorgungsraumschiff
der japanischen Raumfahrtagentur Jaxa
Der unbemannte Frachter HTV (H-2 Transfer Vehicle) gehört zu den
Vorzeigeprojekten von Japans Weltraumfahrt. Er ist knapp zehn Meter lang
und kann bis zu sechs Tonnen Nutzlast zur Internationalen Raumstation
(ISS) transportieren - und von dort Müll abholen. Nach einem Testflug
2009 klappte die erste Frachtlieferung im Januar 2011 reibungslos.
Der mögliche Datenklau könnte schon länger dauern. Nach Angaben der
Weltraumagentur wurden schon früher Besonderheiten an dem Computer
festgestellt. Mitte August wurde dann das Virus entfernt, der Computer
aber weiter überwacht - weil nach wie vor Besonderheiten auftraten. Im
Januar sei dann ein weiteres Virus entdeckt worden. Es sei ermittelt
worden, dass der Computer zwischen dem 6. Juli und 11. August unbemerkt
einige Daten verschickt habe. Derzeit würden das Ausmaß und mögliche
Auswirkungen der Schäden untersucht.
Die Raumfahrt ist schon oft Opfer von Spionage geworden. Beim
Raumtransporter HTV könnten die Details der Technologie zur Annäherung
an die Internationale Raumstation ISS von besonderem Interesse sein. Der
Frachter fliegt dicht an die Station im All heran und wird dann von
einem Roboterarm an die ISS gezogen und angekoppelt.
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Der HTV-Frachter ist Japans Lösung zur Versorgung der ISS. Das
asiatische Transfer-Vehikel ist kleiner als Europas
ISS-Versorgungsfrachter ATV, der immerhin 7,6 Tonnen transportieren kann
und unter der Regie der EADS -Raumfahrtsparte Astrium gebaut wird.
Europas ATV kann technologisch mehr: Er dockt vollständig automatisch an
die ISS an - muss also nicht von einem Roboterarm herangezogen werden.
Unter Experten gilt das vollautomatische Ankoppeln als technologische
Krönung. Bei der russischen ISS-Versorgungskapsel Progress erfolgt die
Annäherung halbautomatisch und wird in der Endphase manuell gesteuert.
Amerika hat nach der Einstellung der Shuttle-Flüge keinen Versorger für
die ISS mehr. Eventuell im Februar könnte eine erste US-Testkapsel mit
einer Rakete des Privatunternehmens SpaceX zur ISS fliegen - doch der
Termin ist noch nicht endgültig bestätigt. Auch die US-Kapsel würde dann
von einem Roboterarm an die ISS herangezogen.