Forscher der TU Wien schlagen neue Architektur vor und berechneten Zahl der für
einen stabilen Quantenrechner notwendigen Systeme
Zur Realisierung eines Quantencomputers gibt es verschiedene Konzepte. Wiener
Forscher haben nun eine neue Architektur vorgeschlagen, bei der ein
Quantensystem auf in Diamanten eingeschlossenen Stickstoff-Atomen beruht. Im
Fachjournal "Physical Review X" berichten sie, dass für einen stabilen
Quantencomputer Milliarden solcher Quantensysteme notwendig wären. Unmöglich ist
das aber nicht.
Zwei Zustände
Im Gegensatz zum Bit, der kleinsten Informationseinheit in der klassischen
Informationstechnologie, die zwei Zustände (Ja/Nein oder 0/1) einnehmen kann,
dienen beim Quantencomputer Quantenzustände als kleinste Einheit - genannt
Quantenbit (Qubit). Weil dabei die Gesetze der Quantenwelt gelten, kann ein
solcher Quantenzustand verschiedene Schwebezustände - die Wissenschafter
sprechen von "Überlagerungszuständen" - zwischen zwei Möglichkeiten einnehmen.
Mit mehreren Qubits könnte man deshalb bestimmte Probleme wesentlich schneller
lösen als in einem klassischen Computer.
Solche Überlagerungszustände lassen sich in unterschiedlichen Quantensystemen
realisieren: etwa in elektromagnetischen Fallen gehaltene Ionen, winzige Defekte
in Festkörpern wie Diamanten oder in Nanostrukturen "eingesperrte" Elektronen
(Quantenpunkte). Jörg Schmiedmayer und ein Team vom Vienna Center für Quantum
Science and Technology (VCQ) der Technischen Universität (TU) Wien haben
gemeinsam mit japanischen Wissenschaftern nun vorgeschlagen,
Stickstoff-Fremdatome in Diamant (sogenannte NV-Zentren, die dem Diamant eine
rote Färbung geben) eingesperrt in optische Resonatoren als robuste Qubits zu
verwenden.
Unterhalb der Diamantschicht
Bei jedem Stickstoff-Atom befindet sich ober- und unterhalb der Diamantschicht
ein kleiner Spiegel. Über Glasfaserleitungen können Photonen in Kontakt mit dem
Quantensystem gebracht und so sein Zustand manipuliert und ausgelesen werden.
Jedes einzelne dieser Quantensysteme aus einem Stickstoff-Atom, Diamant
(NV-Zentrum) und zwei Spiegeln kann ein Qubit an Information tragen
(physikalisches Qubit). Das neue Verfahren erlaubt es, viele der ungünstigen
Eigenschaften des NV Zentrums zu umgehen und so sehr verlässliche
Quantenoperationen durchzuführen.
Diese Quantenoperationen sind aber nie perfekt und ein physikalisches Qubit
daher anfällig für Störeinflüsse. Notwendig sind daher sogenannte
Fehlerkorrektur-Verfahren. Zum Speichern eines Qubits reicht dann nicht mehr ein
solches Quantensystem, notwendig ist vielmehr "eine komplizierte Architektur aus
vielen miteinander verbundenen Systemen", ein sogenanntes "logisches Qubit", so
Michael Trupke von der TU.
Shor-2048-Algorithmus
Ein Einsatzgebiet für Quantencomputer ist die Primfaktorenzerlegung sehr großer
Zahlen, was etwa für Verschlüsselungen (Kryptographie) benötigt wird. Im Jahr
2001 hat IBM mit einem Quantencomputer mit sieben Qubits die Zahl 15 in die
Faktoren 5 und 3 zerlegt. Schmiedmayer und sein Team haben nun berechnet, dass
4,5 Milliarden solcher aus Stickstoff-Atom, Diamant und zwei Spiegeln bestehende
Quantensysteme (physikalische Qubits) notwendig wären, um eine Zahl mit 616
Stellen zu zerlegen. Konkret müsste dazu auf dem Quantencomputer ein sogenannter
Shor-2048-Algorithmus laufen. Mit solchen vom US-Informatiker Peter Shor
entwickelten Algorithmen können auf einem Quantencomputer Primfaktoren von
Zahlen berechnet werden.
Nach Angaben der Wissenschafter wäre diese große Zahl an Quantensystemen bei
allen Quantencomputer-Konzepten notwendig, egal ob Ionen, Quantenpunkte oder
andere Architekturen verwendet werden. Als Vorteil im neuen Konzept sehen die
Wissenschafter, "dass man im Prinzip weiß, wie man alles verkleinern,
integrieren und vervielfachen kann", so Trupke, der mit seinen Kollegen an der
TU bereits daran arbeitet, eine kleine Version dieser Architektur experimentell
herzustellen.
Die hohe Zahl notwendiger Quantensysteme schreckt die Wissenschafter auch nicht.
Schmiedmayer erinnert an die Anfänge der Informationstechnologie: "Als man die
ersten Transistoren herstellte, konnte man sich auch noch nicht vorstellen, wie
es je gelingen kann, Milliarden von ihnen auf einem Chip unterzubringen - und
heute tragen wir solche Chips in der Hosentasche mit uns herum." (APA, 7.8.
2014)
Link
TU Wien: Neues Quantencomputer-Konzept vorgeschlagen
http://derstandard.at/2000004098255/TU-Wien-Neues-Quantencomputer-Konzept-vorgeschlagen