Eine 5G-Antenne in Laax, die Sunrise im November 2018 in Betrieb genommen hat. (Bild: PD)
Schweiz
5G kommt in die Schweiz – und heizt die Gesundheitsdebatte neu an: Die
Einführung der neuen Technologie im Überblick
Das Rennen um den neuen Mobilfunkstandard 5G ist im Gange. Sunrise und
Swisscom sind in die Offensive gegangen und haben erste Angebote lanciert.
Wie geht es weiter? Sieben Antworten.
Stefan Häberli, Nikolai Thelitz, Jürg Müller, Alan Niederer
Letzte Aktualisierung am 15.05.2019
Neue Entwicklungen
Der Marktführer Swisscom will bis Ende Jahr 90% der Schweizer Bevölkerung
mit 5G versorgen. Sunrise hat bereits per Ende März 2019 über 150 Städte und
Orte an die «Glasfaser durch die Luft» angeschlossen. Die 5G-Pläne von Salt
sind im Detail noch nicht bekannt.
Die Rivalität zwischen den USA und China macht auch vor der Einführung des
neuen Mobilfunkstandards nicht halt. Die Amerikaner decken den chinesischen
Netzwerkausrüster Huawei mit unterschiedlichen Vorwürfen ein. Sie versuchen
überdies, ihre Verbündeten davon zu überzeugen, die Finger von
Huawei-Technologie zu lassen. Hierzulande arbeitet Sunrise eng mit den
Chinesen zusammen. Für den Fall einer Eskalation hat das Unternehmen einen
Plan B in der Schublade. (Kommentar: Spionagevorwürfe gegen Huawei: Europa
muss die Trump-Brille ablegen)
Die Einführung von 5G hat auch die Kontroverse um die gesundheitliche Gefahr
durch Mobilfunkstrahlung wiederbelebt. Die Parlamente in den Kantonen Genf
und Waadt haben ihre Regierungen im April dazu aufgefordert, ein Moratorium
für die Installation von 5G-Antennen auf Kantonsgebiet zu erlassen
beziehungsweise zu prüfen. Die 5G-Antennen senden auf Frequenzen, die zuvor
bereits für den Mobilfunk und die TV-Übertragung verwendet wurden.
Das Wichtigste in Kürze
Weltweit wird derzeit ein neuer Mobilfunkstandard eingeführt: 5G, was für
«fünfte Generation» steht. Noch surfen und telefonieren wir in der Schweiz
in der Regel auf einem 4G-Netz, auch Long Term Evolution (LTE) genannt. Den
Durchbruch schaffte der Mobilfunk um die Jahrtausendwende mit dem
Mobilfunkstandard der zweiten Generation, GSM (Groupe Spéciale Mobile).
5G erlaubt eine deutliche Verbesserung der Datenübertragungsraten. Die neue
Technologie soll etwa im Netz des Schweizer Telekom-Marktführers Swisscom
Geschwindigkeiten von bis zu 2 GBit/s ermöglichen. Ein hochauflösender Film
liesse sich damit in rund einer Minute herunterladen. Da für diese 2 GBit/s
indessen optimale Bedingungen nötig sind, fällt das Tempo im Alltag geringer
aus. 5G ist in der Praxis etwa doppelt so schnell wie 4G+, die «aufgemotzte»
Variante des derzeitigen Standards.
Die Aspekte im Detail
1 Was wird sich mit 5G konkret verändern?
2Wann gibt es in der Schweiz ein 5G-Netz?
3 Warum dauert der Aufbau eines flächendeckenden 5G-Netzes so lange?
4 Wie wirkt sich 5G auf die Strahlenbelastung aus?
5 Gefährdet 5G die Gesundheit?
6 Ab wann können 5G-fähige Geräte gekauft werden?
7 Wie lange können alte Geräte noch genutzt werden?
Was wird sich mit 5G konkret verändern?
Die spezifischen Eigenschaften von 5G könnten neue Geschäftsfelder eröffnen.
So hat Sunrise mit der Technologie eine «Glasfaser durch die Luft» gelegt.
Die Idee der Nummer zwei auf dem Schweizer Telekommarkt: In ländlichen
Gebieten führt die echte Glasfaser vielerorts nur bis zur Anschlusszentrale
im Dorf. Den restlichen Teil des Weges müssen die Datenpakete über das
langsamere Kupferkabel zurücklegen. Sunrise umgeht diesen Flaschenhals via
5G, um Haushalten mit einer schlechten Anbindung ans Festnetz schnelles
Internet über den Mobilfunk zu bringen. Ob zu Hause oder unterwegs: Der neue
Mobilfunkstandard bietet weit höhere Geschwindigkeiten als seine Vorgänger
3G bis 4G+.
So schnell soll 5G werden:
Theoretische Maximalgeschwindigkeiten* verschiedener Mobilfunktechnologien,
in Mbit/s
Tabelle siehe Originalbeitrag
* Im Alltag werden diese Werte nicht erreicht, da ein Nutzer die Antenne für
sich alleine haben müsste. – Quelle: Swisscom – Grafik: nth.
Der vielleicht grösste Vorteil von 5G liegt aber nicht in der
Geschwindigkeit, sondern in der kurzen Latenzzeit. Damit ist die Zeit
gemeint, die zwischen einem Ereignis und einer Reaktion verstreicht. Bei
4G-Netzen sind es 5 bis 10 Millisekunden. In einem 5G-Netz soll die
Latenzzeit noch bei rund einer Millisekunde liegen.
5G soll schneller reagieren
Latenzzeiten verschiedener Mobilfunktechnologien, in Millisekunden
Tabelle siehe Originalbeitrag
Quelle: Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation – Grafik: nth.
Genau dies macht 5G für industrielle Anwendungen und das «Internet der
Dinge» so spannend. Ein Netz, das fast in Echtzeit reagiert, kann etwa für
die Vernetzung von Maschinen oder Industrierobotern in Werkhallen verwendet
werden – Swisscom hat zusammen mit der Medtech-Firma Ypsomed in Solothurn
bereits ein Pilotprojekt auf diesem Gebiet vorgestellt.
Wie das Internet der Dinge die Wirtschaft revolutioniert
Wann gibt es in der Schweiz ein 5G-Netz?
Swisscom will bis Ende 2019 bis zu 90% der Schweizer Bevölkerung mit dem
neuen Mobilfunkstandard 5G versorgen. An 102 Standorten in 54 Ortschaften
wurden bereits erste 5G-Antennen in Betrieb genommen. Der kleinste
Mobilfunkanbieter, Salt, will den neuen Standard im dritten Quartal 2019
einführen. Details zu den Ausbauplänen hat Salt noch nicht verraten.
Sunrise hatte Ende Februar erklärt, im März erste 5G-Angebote zu lancieren.
Dabei handelt es sich aber nicht um traditionelle Mobilfunkdienste, sondern
um Festnetzangebote über die Luft (Fixed Wireless Access). Sunrise spricht
in diesem Zusammenhang von der «Glasfaser durch die Luft». Mit den
5G-Routern zu Hause sollen Geschwindigkeiten von bis zu 1 GBit/s erreicht
werden. Über 150 Städte und Orte wurden per Ende März mit dem neuen Angebot
erschlossen.
Warum dauert der Aufbau eines flächendeckenden 5G-Netzes so lange?
Die Schweiz hat eine anspruchsvolle Topografie, kennt strenge Grenzwerte
beim Strahlenschutz und komplizierte Bauvorschriften. All das macht den
Ausbau eines Mobilfunknetzes extrem aufwendig. Vom Entscheid eines
Telekomanbieters, einen neuen Antennenstandort zu erschliessen, bis zum
Punkt, an dem die Antenne in Betrieb gesetzt wird, verstreicht in der Regel
viel Zeit. Swisscom beziffert diese Spanne mit einem Durchschnittswert von
zwei Jahren.
Eine Diskussion über Strahlenbelastung gab es in Südkorea nicht: Das Land
hat jetzt 5G
Fabian Kretschmer, Seoul 4.4.2019, 19:57
Sunrise rechnet im Schnitt gar mit drei bis vier Jahren für den kompletten
Neubau einer Anlage inklusive Verhandlungen mit Hauseigentümern,
Baubewilligung, Bau und Inbetriebnahme. Selbst die simple Aufrüstung eines
bestehenden Standorts kann lange dauern, wenn für die Änderung das Einholen
einer Baubewilligung notwendig ist. Laut Sunrise ziehen bei einem solchen
Upgrade ohne neue Standortsuche ein bis zwei Jahre ins Land.
Wie wirkt sich 5G auf die Strahlenbelastung aus?
Die biologische Wirkung der elektromagnetischen Strahlung hängt von deren
Stärke und Frequenz ab – und nicht von der Technologie, mit der die Wellen
«bespielt» werden. Erstens wurden die vom Bund versteigerten Frequenzen
bereits für andere Zwecke wie die Übermittlung von Radio- oder
Fernsehsignalen eingesetzt. Zweitens unterscheiden sich diese kaum von den
heute im Mobilfunk verwendeten Frequenzen. Mit 5G ändert sich an der
Strahlenbelastung also zunächst wenig.
Es gibt zwar Studien, die einen Zusammenhang zwischen elektromagnetischer
Strahlung und gesundheitlichen Schäden nahelegen. Die einschlägige Literatur
gibt unter dem Strich jedoch Entwarnung: Unterhalb der gängigen Grenzwerte
für die Strahlung konnte keine Studie Risiken nachweisen. Auch eine
Gesamtschau der Forschung auf dem Gebiet liefert keine Anhaltspunkte dafür.
Eine vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) ins Leben gerufene Arbeitsgruppe
diskutiert derzeit «unter Wahrung des Vorsorgeprinzips auch die zukünftigen
Anlagegrenzwerte». Ihre Empfehlungen sollen im Sommer 2019 auf dem Tisch
liegen.
Die aktuellen Anlagegrenzwerte liegen je nach Frequenz bei 4 bis 6 Volt pro
Meter. Diese Limite gilt für «Orte mit empfindlicher Nutzung» wie Wohnräume
oder Schulen. Geht es nach dem Willen der Mobilfunkanbieter, sollen diese
erhöht werden; Swisscom spricht von 20 Volt pro Meter. Dies sei nötig, da
die meisten Anlagen in urbanen Gebieten bereits jetzt am Anschlag sendeten.
Ein Ausbau dieser Antennen sei deshalb nicht mehr möglich, für neue
5G-Antennen müsse man also neue Standorte finden.
Die Mobilfunkbranche will höhere Grenzwerte
Grenzwerte der Strahlung einer Anlage bei verschiedenen Frequenzen, in Volt
pro Meter
Kombination von Frequenzen beider Kategorien
Forderung der Swisscom
Quellen: Bundesamt für Umwelt, Swisscom
Ein politischer Vorstoss zur Erhöhung der Grenzwerte scheiterte 2018 im
Ständerat. Swisscom liess damals verlauten, mit dem Entscheid werde das
5G-Netz lückenhaft bleiben, das volle Potenzial könne nicht genutzt werden.
Trotzdem wolle man den Ausbau von 5G «im Rahmen des Möglichen vorantreiben».