Die 5G-Realität: Teure Tarife, kostspielige Smartphones, aber kaum Netz
MOBILFUNK
Die 5G-Realität: Teure Tarife, kostspielige
Smartphones, aber kaum Netz Kunden sind derzeit kaum mehr als zahlende
Beta-Tester für Provider und Smartphone-Hersteller – Kaum Besserung in
naher Zukunft zu erwarten
5G verspricht ungekannte Geschwindigkeiten –
zumindest in der Theorie.
Foto: Proschofsky / STANDARD Auf den ersten Blick sieht es so aus, als
hätte 5G den Mobilfunkmarkt im Sturm erobert: Die Provider werben groß
mit ihren 5G-Netzen, die Smartphone-Hersteller liefern die passende
Hardware dazu. Zumindest in der Android-Welt kommt derzeit praktisch
kein neues Spitzengerät mehr ohne 5G-Support, und auch Apple soll dem
Vernehmen nach bereits in den kommenden Monaten auf den Zug aufspringen.
Bei genauerer Betrachtung zeichnet sich aber ein ganz anderes Bild:
Aktuell sind 5G-Kunden nicht viel mehr als zahlende Beta-Tester für
Mobilfunkanbieter und Hardwarehersteller.
Die Hardware ist da Woran es dabei am wenigsten mangelt, ist die
Hardware: Chiphersteller Qualcomm hat indirekt dafür gesorgt, dass jedes
Android-Spitzengerät des Jahres 2020 5G-Support bietet. Und zwar auf
eine maximal effektive Weise: Man hat den Herstellern schlicht keine
Wahl gelassen. Jeder, der den aktuellen Topchip von Qualcomm haben will,
muss auch ein 5G-Modem dazunehmen.
Das ist für 5G-Verfechter und die
Netzbetreiber sehr erfreulich, für die Konsumenten hingegen weniger –
hat dies doch dazu geführt, dass 2020 ein ziemlich teures Jahr für
High-End-Smartphones geworden ist. Immerhin kosten all diese Komponenten
schon im Einkauf ziemlich viel Geld, erst in den kommenden Jahren
dürften sich die Preise für 5G-Modems und die zugehörigen Antennenmodule
in Richtung eines mit LTE vergleichbaren Niveaus bewegen.
Dass man dabei zum Teil Hardware erhält, die
in Wirklichkeit nur partiellen 5G-Support bietet – da zentrale
Frequenzen des neuen Standards nicht abgedeckt werden –, hängen die
Anbieter hingegen weniger gern an die große Glocke, würde dies doch das
so gern beschworene Wort von der "Zukunftssicherheit" als Kaufargument
infrage stellen.
Die Netze? Eher nicht Eine Realität, die aber bestens zum aktuellen
Status des 5G-Netzes passt. Dessen Verfügbarkeit muss in Österreich
derzeit selbst unter freundlicher Betrachtung als bestenfalls rudimentär
bezeichnet werden. Am besten sieht es noch bei A1 aus, wo man auf 400
Standorte verweist. Bei Magenta ist hingegen schon nur mehr von 145
Stück die Rede, bei "3" hat man nach eigenen Angaben fast 150 Standorte
zu bieten. In der Praxis heißt das, dass man schon einiges Glück haben
muss, um ein 5G-Netz in der eigenen Nähe zu haben – und noch mehr, damit
der Mast nah genug steht, damit von der versprochenen besseren
Performance auch noch etwas übrigbleibt.
Vor allem aber: Auf absehbare Zeit wird sich
an diesem Umstand nur wenig ändern. Magenta hat sich das Ziel von 300
Standorten bis Ende des Jahres gesetzt, auch andere Anbieter wollen nach
und nach erweitern. Nicht unbedingt hilfreich war dabei die Verschiebung
der zweiten großen 5G-Frequenzauktion: Der Ausbruch von Covid-19 hat zu
einer Verlegung der ursprünglich für April anvisierten Versteigerung in
den August geführt. Die Provider betonen übrigens, dass dies zumindest
langfristig keine relevanten Auswirkungen auf die eigenen 5G-Pläne haben
wird. Das mag allerdings auch daran liegen, dass diese ohnehin nicht
sonderlich ambitioniert sind. Selbst A1 verspricht eine flächendeckende
Versorgung erst für das Jahr 2023.
5G ist ein Sammelsurium Was man dabei ebenfalls nicht erwähnt: 5G ist
nicht gleich 5G. Der Standard setzt sich aus verschiedenen
Frequenzbereichen zusammen. Wenn aber von erheblich niedrigeren
Reaktionszeiten und signifikant höheren Geschwindigkeiten die Rede ist,
dann geht es um einen Bereich, der in Österreich derzeit noch nicht
einmal annähernd in Sicht ist. All das gibt es nämlich nur im
sogenannten mmWave-Spektrum, für das derzeit noch gar kein
Versteigerungstermin absehbar ist. Das, was derzeit hingegen in
Österreich als 5G beworben wird, ist aus Nutzerperspektive in weiten
Teilen eine Art etwas schnelleres LTE. Ein nettes Extra, aber eigentlich
keines, für das es sich lohnt, erheblich mehr Geld auszugeben.
Genau das ist aber derzeit notwendig, um
überhaupt 5G-Support zu bekommen. So gibt es etwa bei Magenta den
billigsten 5G-kompatiblen Tarif ab 45 Euro monatlich – und das ohne
Smartphone. Mit Smartphone wären es dann schon minimal 60 Euro, die
anfallen. Das damit dann die Download-Geschwindigkeit erst recht wieder
bei 150 MBit/s limitiert ist – und somit kaum über konventionelle
LTE-Tarife hinausgeht –, relativiert all das Marketing schnell wieder.
Bei A1 sieht es sehr ähnlich aus, und auch bei "3" muss man sich die
5G-Unterstützung einiges zusätzlich kosten lassen – um 39 Euro Aufpreis
gibt es hier aber immerhin bis zu 500 MBit/s – und 300 MBit/s im
LTE-Netz.
Zarte Anfänge Angesichts dessen ist es nicht ganz
überraschend, dass sich alle Mobilfunker weigern, konkrete Antworten auf
die Frage nach der aktuellen 5G-Nutzung in Österreich zu geben. Bei "3"
formuliert man es diplomatisch mit dem Hinweis "Hält sich noch in
Grenzen", bei Magenta betont man lieber, dass es ja kaum noch passende
Smartphones gebe. Allerdings verweist man zusätzlich darauf, dass die
5G-fähigen Tarife gut angenommen würden, ähnlich – und ähnlich vage –
tönt es auch von A1.
So bleibt eine ziemlich unbefriedigende
Situation: Wer will, kann derzeit ein unnötig teures Smartphone mit
einem unnötig teuren Tarif kombinieren, um fast kein Netz zu bekommen.
Um hier keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Langfristig mag
dieser offensive Einstieg aller Beteiligten in das Thema 5G durchaus
nützlich sein. Die Konsumenten sollten sich aber darüber im Klaren sein,
dass es hier für sehr viel Geld für sie noch ziemlich wenig zu holen
gibt. Und das wird sich in der näheren Zukunft auch kaum ändern.
(Andreas Proschofsky, 22.6.2020)
5G verspricht ungekannte Geschwindigkeiten –
zumindest in der Theorie.
Foto: Proschofsky / STANDARD Auf den ersten Blick sieht es so aus, als
hätte 5G den Mobilfunkmarkt im Sturm erobert: Die Provider werben groß
mit ihren 5G-Netzen, die Smartphone-Hersteller liefern die passende
Hardware dazu. Zumindest in der Android-Welt kommt derzeit praktisch
kein neues Spitzengerät mehr ohne 5G-Support, und auch Apple soll dem
Vernehmen nach bereits in den kommenden Monaten auf den Zug aufspringen.
Bei genauerer Betrachtung zeichnet sich aber ein ganz anderes Bild:
Aktuell sind 5G-Kunden nicht viel mehr als zahlende Beta-Tester für
Mobilfunkanbieter und Hardwarehersteller.
Die Hardware ist da Woran es dabei am wenigsten mangelt, ist die
Hardware: Chiphersteller Qualcomm hat indirekt dafür gesorgt, dass jedes
Android-Spitzengerät des Jahres 2020 5G-Support bietet. Und zwar auf
eine maximal effektive Weise: Man hat den Herstellern schlicht keine
Wahl gelassen. Jeder, der den aktuellen Topchip von Qualcomm haben will,
muss auch ein 5G-Modem dazunehmen.
Das ist für 5G-Verfechter und die
Netzbetreiber sehr erfreulich, für die Konsumenten hingegen weniger –
hat dies doch dazu geführt, dass 2020 ein ziemlich teures Jahr für
High-End-Smartphones geworden ist. Immerhin kosten all diese Komponenten
schon im Einkauf ziemlich viel Geld, erst in den kommenden Jahren
dürften sich die Preise für 5G-Modems und die zugehörigen Antennenmodule
in Richtung eines mit LTE vergleichbaren Niveaus bewegen.
Dass man dabei zum Teil Hardware erhält, die
in Wirklichkeit nur partiellen 5G-Support bietet – da zentrale
Frequenzen des neuen Standards nicht abgedeckt werden –, hängen die
Anbieter hingegen weniger gern an die große Glocke, würde dies doch das
so gern beschworene Wort von der "Zukunftssicherheit" als Kaufargument
infrage stellen.