Mobiltelefone abhören? GSM macht's leicht!
Handy's und andere kleine portable Helferlein
Mobiltelefone abhören? GSM macht's leicht!
Andreas Proschofsky
20. Dezember 2010, 17:12
Wer lauscht mit? GSM-Netze machen mit grundlegenden
Sicherheitslücken das Ausspionieren vergleichsweise einfach.
GSM-Hacker Harald Welte im Gespräch über seit Jahren
bekannte, schwerwiegende Lücken in allen Netzen
Die meisten haben in mobile Netzwerke ein viel höheres
Vertrauen als in das Internet, dies vollkommen zu unrecht - so attestiert es
einer, der mit durchaus ausgiebigem Wissen in diesem Bereich aufwarten kann:
Harald Welte war unter anderem am Openmoko-Projekt beteiligt, welches sich zum
Ziel gesetzt hatte, eine vollständig freie Softwareplattform für Mobiltelefone
zu etablieren. Und auch wenn er dieses Unterfangen zwischenzeitlich hinter sich
gelassen hat, bleibt Welte doch der Thematik verbunden. Er gehört zu einer
Gruppe von Entwicklern, die auf grundlegende Sicherheitsprobleme in
Mobilfunknetzen aufmerksam machen will. Dies nicht zuletzt, in dem man
Open-Source-Tools schreibt, die die diversen Lücken veranschaulichen. Zusätzlich
engagiert sich Welte für die Durchsetzung von freien Sofwarelizenzen, mit seiner
Plattform gpl-violations.org konnte er in den vergangenen Jahren bereits einige
Erfolge verbuchen.
Im folgenden Interview geht Welte auf die zentralen
Problembereiche rund um GSM ein, und veranschaulicht so auch, dass es keine
sonderliche Hexerei ist, Telefongespräche - oder auch Datenübertragungen -
abzuhören. Das Gespräch führte Andreas Proschofsky am Rande der jährlich in Wien
abgehaltenen Sicherheitskonferenz Deepsec, die sich in diesem Jahr einen
besonderen Schwerpunkt auf den Punkt mobile Sicherheit gegeben hat.
In den letzten Jahren ist die
Mobilfunktechnologie GSM zunehmend in die Kritik gekommen, vor allem die
mangelhafte Sicherheit wurde immer wieder beklagt. Können Sie zunächst mal grob
umreißen, worum es hier konkret geht?
Harald Welte: Wir haben bei GSM eine Technologie die
aus den Achtziger-Jahren stammt, basierend auf den damaligen Technologien und
geprägt durch die einstige politische Situation. Das heißt, es wurde entwickelt
von den damals noch staatsmonopolistischen Telefonunternehmen innerhalb der
Europäischen Gemeinschaft, wo sich alle Operator kannten und gegenseitig
vertrauten. Das ist ein für heute problematischer Ausgangspunkt. Ein anderer
ist, dass die damals höchste für zivile Zwecke zugelassene Verschlüsselung
Single-DES mit 56-Bit für Bank-Anwendungen war. Die Design-Prämisse für das
GSM-Netz war, dass man schlechter als dies sein müsse, sonst hätte man dies
politisch nicht einfach nicht durch bekommen. Und das ist ja auch alles schön
und gut, das Problem ist nur, dass mittlerweile 25 Jahre vergangen sind, und das
Verschlüsselungsverfahren für Gespräche noch immer das gleich ist, das ist ein
grundlegendes Übel.
Gleichzeitig haben wir die Entwicklung des Internets,
das von einer Vielzahl von Unternehmen und Organisationen getrieben wurde, und
nicht nur von ein paar Monopolbetrieben. Entsprechend hat gerade was die
IT-Security betrifft, das Internet die Mobiltelefonie ganz schnell überholt.
Zwar ist auch hier das Netz grundsätzlich nicht vertrauenswürdig, aber immerhin
wissen die meisten, dass ihre Daten offen einsehbar sind, wenn sie
unverschlüsselt surfen. Der Anwender bringt hingegen paradoxerweise dem
Telefonnetz ein wesentlich höheres Vertrauen entgegen, was leider gänzlich
unbegründet ist.
derStandard.at: Selbst können sich die AnwenderInnen
aber auch kaum gegen Probleme im Mobilfunknetz wehren, oder?
Harald Welte: Ja, das ist das nächste Problem. Wenn
ich einen PC ans Internet anschließe, dann kann ich selbst entscheiden, ob ich
eine Firewall verwende, welche Software ich einsetze, ob ich die aktuellen
Updates einspiele. Das ist mir überlassen - und damit auch einem relativ freien
Markt von Sicherheitsanbietern - kommerzielle und nicht kommerzielle. Und auf
den Telefonen ist das so, dass das alles sehr viel restriktiver und sehr viel
kontrollierter ist. Dass man selber Software auf Telefonen installieren kann,
ist ja überhaupt ein Feature, dass erst mit iPhone, Android und so richtig
populär geworden ist. Und selbst da passiert dies ja nur auf Anwendungsebene.
Das heißt: Man kann jetzt zwar selber eine App nachinstallieren, aber das
gesamte System darunter kann ich in keinster Weise beeinflussen.
derStandard.at: Um das herauzustreichen: In einem
aktuellen Smartphone gibt es immer zwei parallel installierte Betriebssysteme?
Harald Welte: Ja, richtig. Es gibt da zunächst mal den
Baseband Processor, der sich um das eigentliche Interface zum GSM oder 3G-Netz
kümmert. Und dann gibt es noch den Application-Processor, auf dem dann Windows
Mobile, iOS, Android läuft.
Während die meisten NutzerInnen die Application-Seite
sehr gut kennen und dort ihre Anwendungen im Blick haben, ist der
Baseband-Processor sozusagen die schwarze Box, von der niemand so recht weiß,
was sie tut. Für die Gerätehersteller ist das natürlich genau umgekehrt, die
vertrauen ihrer eigenen Baseband-Software, und misstrauen all dem neuen Linux
und Unix-Zeug, dass da so installiert wird. Und das führt dann eben auch dazu,
dass der Baseband-Processor den Application Processor kontrollieren kann, der
kann diesen also etwa abschalten oder neu starten, umgekehrt geht das aber nicht
unbedingt. In manchen Designs kann der Baseband-Processor auch komplett auf den
Speicher des Application-Processor zugreifen. Das heißt in dem Moment, wo jemand
die Sicherheit der Baseband-Seite kompromittiert, kann er alles am Application
Processor sehen. Und gegen dieses Einfallstor kann ich selbst eigentlich
überhaupt nichts tun.
derStandard.at: In dem Moment bieten mir dann
natürlich auch die ganzen Verschlüsselungsprogramme - für SMS, Mail usw. - keine
vollständige Sicherheit mehr, da die Texte ja - zumindest theoretisch - direkt
am Gerät über einen Einbruch am Baseband-Processor mitgelesen werden könnten.