Banken holen IT-Veteranen aus der Pension zurück
14. April 2017, 09:49
679 Postings
Experten werden für
Programmiersprache Cobol gebraucht – Stundenlöhne von mehr als 100
Dollar – Manager haben Angst vor Systemumstellung
Bill Hinshaw
verbringt seinen Ruhestand etwas anders als der Durchschnittspensionist.
Der 75-jährige Großvater von insgesamt 32 Enkeln und Urenkeln ist zwar
auch bei seiner Familie. Das Arbeiten aber kann er nicht lassen. Er
hilft amerikanischen Unternehmen dabei, ihre Computersysteme am Laufen
zu halten. Sein Alter ist dabei kein Nachteil.
Im Gegenteil:
Hinshaw erlernte das Programmieren in den 1960er-Jahren, als ein
Computer so groß wie ein Zimmer war und mit Lochkarten arbeitete. Der
Unternehmer gehört zur immer kleiner werdenden Zahl von Experten für die
Programmiersprache Cobol.
Cobol aus großen
Banken, Konzernen und Teilen der US-Regierung nicht wegzudenken
Obwohl es längst
modernere Sprachen gibt, ist Cobol aus großen Banken, Konzernen und
Teilen der US-Regierung nicht wegzudenken. Denn die leistungsfähigen
Computersysteme der Firmen und Behörden wurden oft in den 1970er- oder
1980er-Jahren aufgebaut und nie ganz ersetzt.
Vor allem für die
Finanzbranche hat die Uraltprogrammiersprache eine große Bedeutung.
Täglich werden Transaktionen mit einem Volumen von schätzungsweise drei
Billionen Dollar über Cobol-Systeme abgewickelt. Dabei geht es um
Girokonten, Kartennetze, Geldautomaten und die Abwicklung von
Immobilienkrediten. Weil die Banken aggressiv auf eine Digitalisierung
ihres Geschäftes setzen, wird Cobol sogar noch wichtiger. Denn Apps für
Smartphones etwa sind in modernen Sprachen geschrieben, müssen aber mit
den alten Systemen harmonieren.
Frühere Kunden
riefen immer wieder an
In solchen Fällen
kommen Hinshaw und andere Experten ins Spiel. Vor ein paar Jahren wollte
der 75-Jährige aus Nordtexas seine IT-Firma eigentlich schließen und in
Pension gehen. Aber seine früheren Kunden riefen immer wieder an und
wollten Hilfe. Im Jahr 2013 gründete Hinshaw schließlich eine neue
Firma, die Kontakte zwischen Konzernen und Experten vermittelt.
Erfahrene Cobol-Programmierer können mehr als 100 Dollar in der Stunde
verdienen, wenn sie Fehler beseitigen, Handbücher neu schreiben oder
dafür sorgen, dass die alten Systeme mit den neuen zusammenarbeiten.
Für ist das allemal billiger, als die alten Systeme ganz aufzugeben –
was ohnehin riskant wäre. Der frühere Barclays-Chef Antony Jenkins sagt,
für Geldinstitute gehe es nicht nur darum, dass es immer weniger
Spezialisten gebe. Die heutigen Großkonzerne sind oft das Ergebnis
etlicher Firmenfusionen. "Es ist unheimlich komplex", sagt Jenkins, der
heute neue IT-Systeme an Banken verkauft. "Die alten Systeme der
verschiedenen Generationen haben mehrere Ebenen und sind oft stark
miteinander verwoben." An eine Systemumstellung denken manche
Bankmanager deswegen nur mit Grauen. Ihr Albtraum ist, dass dabei ein
Fehler unterläuft und Millionen Kundendaten verschwinden. Zugleich
wissen die Verantwortlichen, dass sie nicht ewig auf eine
Expertengeneration setzen kann, die irgendwann ausgestorben ist.
"Nur weil eine
Sprache 50 Jahre alt ist, heißt das nicht, dass sie schlecht ist"
IBM – ein Pionier im
Bereich der Mainframe-Computer – sieht die Zukunft weniger schwarz. Der
US-Konzern bildet junge IT-Spezialisten in Cobol aus und hat nach
eigenen Angaben innerhalb von zwölf Jahren mehr als 180.000 Entwickler
geschult. "Nur weil eine Sprache 50 Jahre alt ist, heißt das nicht, dass
sie schlecht ist", sagt Mitarbeiterin Donna Dillenberger.
Cobol-Veteranen wie
Hinshaw argumentieren jedoch, dass es nicht reiche, die Sprache zu
beherrschen. Einzelne Systeme sind sehr unterschiedlich, und die
Programmierer hinterließen in den frühen Tagen nur selten Handbücher.
Das erschwert heute die Fehlerbehebung.
Umstellung dauerte
fünf Jahre
In den USA beginnen Banken nur langsam damit, Systeme komplett auf
modernere Sprachen umzustellen. Dabei können sie von Erfahrungen im
Ausland lernen. So löste die Commonwealth Bank of Australia ihr
zentrales System 2012 mithilfe der Unternehmensberatung Accenture und
dem Softwarekonzern SAP ab. Letztlich dauerte die Umstellung fünf Jahre
und kostete mehr als eine Milliarde australische Dollar (712,91 Mio.
Euro). Einen ähnlichen Schritt hat die schwedische Bank Nordea bis 2020
vor sich.
Bis es für andere
Institute so weit ist, müssen sie frühere Angestellte reaktivieren –
obwohl deren Wissen einst als überflüssig eingeschätzt wurde. So
berichtet ein Cobol-Programmierer, er sei 2012 entlassen worden.
Stattdessen sollten jüngere und billigere Angestellte mit einer
Ausbildung in neueren Sprachen seinen Job übernehmen. Zwei Jahre später
kam er als Freiberufler in dieselbe Firma zurück, weil die Manager auf
unerwartete Probleme gestoßen waren. "Die Rückbeorderung in die Bank war
für mich wie eine Ehrenrettung", sagt der Experte. (APA,
14.4.2017)
http://derstandard.at/2000055955091/Banken-holen-IT-Veteranen-aus-der-Pension-zurueck
COBOL
Banken. Konzerne, US Rgierung
R i s i k o
Lange Umstellungszeit, Risiken, hohe Kosten