5 G Die Rückkehr der Strahlenangst
5G: Die Rückkehr der "Strahlenangst"
Etwa jede zehnte Anfrage bei den Providern bezieht
sich auf vermutete Gefahren durch den neuen Mobilfunkstandard – das Phänomen
ist nicht neu
Georg Pichler 23. Juli 2019, 18:26
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RT America
RT-Beitrag brachte 5G-Angst ins Rollen
Aus der Branche hört man, dass vor allem ein international verbreiteter
Bericht des Kreml-Senders RT (vormals "Russia Today") auch im
deutschsprachigen Raum die neue "Strahlenangst" beflügelt habe. "Gibt es
einen Haken (bei 5G, Anm.)?", fragt darin Moderator Rick Sanchez seine
Korrespondentin einleitend. "Es gibt einen, aber es ist nur ein kleiner",
erwidert diese. "Es könnte Sie töten."
Zahlreiche Verschwörungsportale – von Kla TV bis Epoch Times – griffen das
Thema dankbar auf. Teilweise wird 5G in viralen Videos als "Gefahr für Leib
und Leben" und die Errichtung der Netze als "Ausrottungsereignis"
bezeichnet. Der Mobilfunkstrahlung werden dabei auch diverse andere Folgen
angedichtet, von toten Bienen bis hin zu neurologischen Schäden bei
Neugeborenen.
Belege für Gefahren fehlen
Die Faktenlage spricht freilich gegen solche drastischen Auswirkungen. Die
Risiken von 5G sind nicht größer als jene für Mobilfunk im Allgemeinen. An
der Funktechnologie an sich ändert sich abseits der genutzten Frequenzen
kaum etwas – handelt sich bei 5G doch primär um ein neues
Übertragungsprotokoll. Und auch wenn es tatsächlich vor allem im urbanen
Bereich aufgrund der höheren Frequenzen deutlich mehr Sender geben wird,
fallen diese dafür kleiner und leistungsärmer aus. Laut Untersuchungen des
deutschen Messlabors Testlab – es gehört zur Telekommunikations-Zeitschrift
"Connect" – wird damit die Strahlenbelastung sogar sinken.
Beim deutschen Bundesamt für Strahlenschutz ist man sich ob der Auswirkungen
auf die Strahlenbelastung nicht ganz sicher. Man weist gegenüber dem SWR
aber darauf hin, dass die vom Mobilfunk genutzten Frequenzbereiche "relativ
gut erforscht" seien und es bislang keinen wissenschaftlichen Beleg für
negative gesundheitliche Auswirkungen gebe.
Kein Anstieg bei Gehirntumorfällen
Einige Aufmerksamkeit hat auch die Entscheidung der
Weltgesundheitsorganisation WHO auf sich gezogen, die hochfrequente
elektromagnetische Strahlung vor einigen Jahren als möglicherweise
krebserregend einstufte. Was oft nicht dazugesagt wird: Es wurde in die
Gefährdungsgruppe 2B eingeordnet, in der sich Stoffe und Faktoren finden,
deren Krebsrisiko als noch nicht vollständig ausgeräumt angesehen wird, wo
man aber davon ausgeht, dass eine kanzerogene Wirkung "nicht wahrscheinlich"
ist. Ebenso dort zu finden: Aloe-Vera-Extrakt und Kokosnussöl.
Ebenfalls keinen Hinweis auf erhöhte Gefahr für Gehirntumore liefern Daten
der Statistik Austria. Seit 1994, als erstmals flächendeckend GSM-Mobilfunk
in Österreich eingeführt wurde, liegt die Inzidenz relativ stabil bei acht
bis neun Fällen pro hunderttausend Einwohnern.
Die Skepsis schlägt nicht nur Wellen im Netz, sondern hat auch konkrete
Auswirkungen, sagen die Netzbetreiber. Mitunter werden Beschwerden nämlich
an "Politiker aller Ebenen" gerichtet. Dadurch kommt es unter anderem zu
Bauverzögerungen.
FMK Forum Mobilkommunikation
"Bodenständigkeit" gegen Fake-News
Doch wie gehen die Mobilfunker mit der 5G-Angst um? Zurückhaltend. Das Forum
Mobilkommunikation hat neben Entgegnungen und Faktenchecks kurze
Aufklärungsvideos produziert. Darin tritt der "Petutschnig Hons" auf, eine
Kunstfigur des Kärntner Künstlers Wolfgang Feistritzer. In "bodenständiger"
Manier versucht er, gängige Mythen zum Thema zu entkräften. Man hofft, dass
auf diesem Wege ein "emotionaler Aufruf an den Hausverstand" gelingt.
Die Videos kommuniziert man allerdings nur reaktiv. Statt sie etwa auf
sozialen Medien selbst ins Rampenlicht zu stellen, nutzt man sie, um auf
skeptische und besorgte Postings zu reagieren. Ebenfalls im Videoformat gibt
es Experteninterviews. Im Herbst will man in den Bundesländern zudem
Informationsveranstaltungen für Behördenvertreter abhalten, die mit dem
5G-Ausbau befasst sind.
FMK Forum Mobilkommunikation
Auch in den USA geht die 5G-Angst um
Der neue Mobilfunkstandard stößt aber nicht nur in Zentraleuropa auf
besorgte Reaktionen. In den USA gibt es eine Art Gegenstück zur
Oberfeld-Studie. Damals warnte im Jahr 2000 der Arzt Bill Curry vor
Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Strahlung, als ihn die
Bezirksverwaltung von Broward County (Florida) um eine Einschätzung
ersuchte. Die Absorption von Mikrowellen im menschlichen Gehirn könne Tumore
hervorrufen, hieß es.
Allerdings liegen der Studie methodische Schwächen zugrunde, schreibt die
"New York Times". Curry untersuchte isoliertes Zellgewebe im Labor und
leitete daraus Auswirkungen auf tiefliegendes Körpergewebe ab. Allerdings
beachtete er nicht, dass die menschliche Haut als Barriere fungiert, die die
inneren Organe vor hochfrequenter Strahlung schützt – sowohl bei Sonnenlicht
als auch bei Radiowellen.