Auf einen Kaffee bei den Cyberkriegern
Blog | Christoph Prantner, 9. Oktober 2012, 09:16 · foto: reuters/samantha sais Die Streitkräfte der meisten Industriestaaten haben
Cyber-Verteidigungsdoktrinen ausgearbeitet. Zum Beispiel die USA,
Deutschland oder die Niederlande. ·
Das Oberste Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa
lässt in sein Allerheiligstes blicken - Der neue Blog von Christoph
Prantner Gleich hinter der Büste von "Ike" Eisenhower und den Fotos all
seiner hochdekorierten Nachfolger als Nato-Oberkommandierende in
Europa geht es friedlich zu. Schottenröcke, Tarnuniformen und
Fliegermonturen sitzen geruhsam bei Kaffee und Croissants zusammen.
Wenig erinnert daran, dass das die Cafeteria in den schwer
gesicherten Baracken des SHAPE (Oberstes Hauptquartier der
Alliierten Streitkräfte in Europa) in Mons ist. Nur auf einem Plakat
ist eine Handgranate zu sehen. Eine Handgranate, die aus einem
Computerkeyboard besteht.
Cyber Defense, darum geht es bei unserem Besuch. Und die Nato lässt
sich tatsächlich ein wenig in die Karten schauen. Ein Flight
Lieutenant der Royal Air Force bringt uns durch endlose Gänge in
einen fensterlosen Raum. Auf zehn mal zehn Metern stehen gezählte 65
Bildschirme. Die meisten davon sind schwarz, auf einigen bauen sich
Balken und Tabellen auf. Hin und wieder blinkt ein Bereich signalrot
auf. Mehr sollen Journalisten und alle anderen, die keine
entsprechende Sicherheitseinstufung haben, nicht sehen. Der Raum ist
das Allerheiligste des Nato Computer Incident Response Capability
(NCIRC), dort werden Cyberangriffe auf den Nordatlantikpakt
abgewehrt. Die Allianz nimmt für sich in Anspruch, bloß defensiv zu
agieren. Die Cyberoffensive bleibe den Mitgliedstaaten selber
vorbehalten. Netze sichern Die Computerkrieger sichern die Netze der Kommanden und der
Headquarters in Brüssel. Dazu kommen Operationen im Feld wie die
Afghanistan-Schutztruppe Isaf oder die Kosovo-Mission KFOR. Die
meisten Angreifer kommen von außen - wer das ist, darüber schweigen
die Nato-Offiziellen. Gelegentlich aber sitzen die Quellen der
Unsicherheit auch im System: Ein Militärplaner etwa, sagt der Flight
Lieutenant, habe unlängst eine Liste mit Bomberzielen in Afghanistan
mit seinem ungesicherten Gmail-Account verschicken wollen. Der Cyberspace ist zur neuen, fünften Domäne des Krieges geworden -
nach Land, Wasser, Luft und Weltall militarisiert sich der virtuelle
Raum rasend schnell. Vor allem auch, weil die Schäden, die durch
Cyberkriegsführung angerichtet werden können, in zunehmend
vernetzten Gesellschaften enorm sind. Die so genannte kritische
Infrastruktur (siehe Grafik rechts) von Staaten ist leicht
verwundbar. Manche Analysten glauben, dass im Falle eines massiven
Cyberangriffes auf einen Staat mit dem Ausfall von Wasserversorgung,
Lebensmittelnachschub, Strom oder Krankenhäusern bereits nach
wenigen Tagen das große Sterben beginnen könnte. Cyber-Verteidigungsdoktrinen Die Streitkräfte der meisten Industriestaaten haben deswegen
Cyber-Verteidigungsdoktrinen ausgearbeitet. Die USA, Deutschland
oder die Niederlande etwa haben solche Papiere. Auch in Österreich
gibt es eine interministerielle Cybersicherheitsstrategie, aber das
Bundeskanzleramt, das Verteidigungs- und Innenministerium
beschäftigen sich lieber jeweils eigenständig mit der Materie.