Britische Regierung wurde mit "Pegasus"-Spyware überwacht
+ mindestens 45 Staaten weltweit
Britische Regierung wurde mit "Pegasus"-Spyware überwacht
Sicherheitsforscher des Citizen Lab fanden Spuren einer Infektion unter
anderem im Büro von Premier Boris Johnson
"Pegasus" ist auch in Großbritannien angekommen.
Foto: Pixabay/Parker_West & JESHOOTS-com (Bearbeitung: STANDARD)
Ungarische Investigativreporter, französische Journalistinnen, die
Verlobte des ermordeten, saudischen Journalisten Jamal Khashoggi,
US-Diplomaten in Uganda und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Das
ist nur ein Auszug aus der langen Liste von Betroffenen, gegen die die
von der israelischen NSO Group entwickelte Spähsoftware "Pegasus"
bislang eingesetzt worden sein soll.
Nun wächst die Aufzählung erneut an. Wie die Sicherheitsforscher des
Citizen Lab bekannt gaben, wurde auch die britische Regierung zum Ziel
solcher Überwachung. An mehreren Stellen konnten sie Anzeichen einer
vergangenen Infektion mit dem Trojaner entdecken.
Handy in Johnson Büro betroffen
Entdeckt wurden Hinweise auf Pegasus unter anderem im Netzwerk des Büros
des Premiers Boris Johnson. Es soll sich um ein Handy gehandelt haben,
doch welches Gerät genau betroffen war, konnte das Cyber Security Centre
nie herausfinden. Dementsprechend tappt man auch im Dunklen bei der
Frage, welche Informationen ausgespäht worden sind.
Wenigstens fünf Hacks mithilfe der Spyware gegen Telefone des Foreign,
Commonwealth and Development Office (FCO) hält man ebenfalls für
gesichert. Sie sollen zwischen Juli 2020 und Juni 2021 stattgefunden
haben.
Die Experten analysierten die IP-Adressen, die die Spyware angesteuert
hatte, um abgegriffene Informationen zu verschicken. Den digitalen
Einbruch bei Johnson führt man auf dieser Basis auf die Vereinigten
Arabischen Emirate zurück. Beim FCO führen die Spuren nicht nur in die
VAE, sondern auch nach Jordanien, Zypern und Indien.
Weitere Fälle in Katalonien
Es ist nicht der einzige Pegasus-Angriff, der nun neu ans Licht gekommen
ist. Eine Abhörkampagne gab es auch in Katalonien. Hier sollen 60
Politiker, Anwälte und Aktivisten im In- und Ausland angegriffen worden
sein. Citizen Lab verdächtigt hier die Regierung in Madrid, dahinter zu
stecken. Ein ehemaliger NSO-Mitarbeiter erklärte gegenüber dem New
Yorker, dass jedenfalls ein spanisches Kundenkonto bei der Firma
registriert ist. Die NSO Group arbeitet nach eigenen Angaben nur mit
Regierungen und Behörden zusammen, weigert sich aber, seine Kunden
konkret zu nennen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Spuren der Spyware auf Handys
katalanischer Politiker gefunden wurde. 2020 war bekannt geworden, dass
Roger Torrent, der damalige Sprecher des katalanischen
Regionalparlaments, sowie andere Mandatsträger auf Seiten der
Unabhängigkeitsbefürworter überwacht worden waren. Die Frage nach dem
Status der Region ist ein innenpolitisch seit je her ein heißes Eisen
und drohte im Rahmen eines Referendums zu eskalieren.
Dieses fiel bei einer Wahlbeteiligung von 43 Prozent mit einer
90-Prozent-Mehrheit für eine Unabhängigkeit von Spanien, die unter
turbulenten Bedingungen durchgeführte Abstimmung wurde jedoch vom
Verfassungsgerichtshof des Landes für verfassungswidrig erklärt. Es kam
zu einer Anklage gegen mehrere Politiker der Separatisten-Bewegung, die
teilweise das Land verließen oder inhaftiert wurden – gefolgt von
späteren Freilassungen. Madrid setzte zudem temporär die
Selbstverwaltung der Region aus. Diese wurde 2018 wieder zugelassen,
nachdem separatistische Parteien in den Regionalwahlen eine Mehrheit
erringen konnten. Das Verhältnis zwischen ihnen und der spanischen
Regierung ist weiterhin zerrüttet.
Mindestens 45 Länder
Pegasus soll in wenigstens 45 verschiedenen Ländern Einsatz finden. Und
wenngleich dabei immer wieder Verbindungen zu autoritären Regimen
auftauchen, sollen sich im Kundenkreis auch US-Behörden und eine Reihe
anderer Demokratien befinden.
Für die NSO Group könnten die neu bekannt gewordenen Fälle zusätzlichen
Ärger bedeuten. Betroffene Aktivisten, aber auch die Techriesen Meta
(vormals Facebook Inc.) und Apple gehen gerichtlich gegen das
Unternehmen vor, das Lücken im mobilen Betriebssystem iOS und dem
Messenger Whatsapp ausgenutzt hat, seinen Kunden die Verbreitung des
Trojaners zu ermöglichen. Dazu gibt es Kritik von Investoren und der
Versuch, weitere Geschäfte mit US-Behörden zu etablieren, soll laut
Branchenkennern zunehmend ins Straucheln geraten.
Man werde "von einer Reihe politisch motivierter Interessensvertretungen
attackiert von denen viele eine bekannte Anti-Israel-Haltung haben",
heißt es laut New Yorker in einer Stellungnahme des Unternehmens. Man
habe "immer wieder mit Regierungsuntersuchungen kooperiert, wenn es
glaubhafte Anschuldigungen gab und (…) die Absicherungsmaßnahmen für
unsere Technologien verbessert." Er habe nie erwartet, dass diese Firma
"so berühmt" werde, zitiert man weiters CEO Shalev Hulio. "Ich habe auch
nie gedacht, dass wir so erfolgreich würden. Und ich habe nie geglaubt,
dass dies so umstritten sein wird." (gpi, 18.4.22)
https://www.derstandard.de/story/2000135004550/britische-regierung-wurde-mit-pegasus-spyware-ueberwacht